Ideen für einen Style Guide für Stromlaufpläne
9. Juni 2025Stromlaufpläne (Schematics) sind Ausgangsdaten für unsere Dienstleistung PCB-Design / Layouts von Leiterplatten und sollen recht komplexe Informationen leicht verständlich darstellen. Oft sind sie sehr kompliziert und nur für den aktuellen Bearbeiter verständlich. Schlimmer noch, nach drei Monaten Pause findet sich selbst dieser nicht mehr in der Lage, komplett und zügig zu verstehen, was der Stromlaufplan aussagt.
Ausgehend vom Vortrag Andrew Greenbergs auf der KiCon25 North America über Actually useful schematics (Video: Andrew Greenberg über Actually useful schematics auf Ki Con 25 North America), zeigen wir, wie ein Style Guide für sehr gut lesbare Stromlaufpläne (Schematics) aussehen könnte. Hier lang zu den Slides von Actually useful schematics in KiCAD by Andrew Greenberg.
Für Screenshots arbeiten wir hier mit KiCAD in Version 9, aber alles hier lässt sich auch auf andere EDA-Tools wie z.B. Altium Designer übertragen.
Wie sollte ein leicht lesbarer Stromlaufplan aussehen?
Greenberg stellt die folgenden Ansprüche an einen Stromlaufplan:
- Darstellung so, dass schnellstmöglich erfassbar ist, worum es geht
- standardisierte Darstellung
- vereinfachen und modularisieren von Funktionalitäten
- Anzeigen des Fliessens von Spannung und Daten
- Hervorheben zugrunde liegender Annahmen
Es geht hier, wie bereits ausgeführt, nicht nur darum, dass andere Deinen Stromlaufplan verstehen. Es geht auch darum, dass Du selber in der Zukunft Deinen eigenen Stromlaufplan schnell und sicher erfassen kannst. Dafür schlägt Andrew Greenberg die folgenden Punkte vor.
Funktionalitäten durch White Space getrennt und gelabelt
Rahmen um Funktionalitäten sind gut, erzeugen aber visuelle Überladung. Besser ist viel White Space statt einer Umrahmung. Es ist sinnvoll, Funktionalitäten getrennt voneinander darzustellen und diese auch für mehr Übersichtlichkeit entsprechend zu labeln. Wenn dein Sheet aber zu voll wird, verwende mehrere Sheets, aber auch nicht zu viele. Ein Beispiel für ein ziemlich überladenes Sheet im Stromlaufplan:

Zu viele Sheets sind aber auch nicht gut, weil das Hopsen zwischen ihnen oft wenig Spaß macht und die Übersichtlichkeit behindert.
Beispiele für Funktionalitäten, die auf Stromlaufplänen einzeln dargestellt werden sollten:
- Spannungsversorgung (Regelung, Eingang, Entkopplung, Teiler etc.)
- Taktgeber (Quars, Oszillatoren, Vervielfacher, Verteilung etc.)
- Mikroprozessoren (dazu Reset-Logik, Debug/Programmierschnittstelle, Pullups etc.)
- Speicher (Flash, EEPROM, SRAM etc.)
- Kommunikation (z.B. USB, UART, SPI, I2C etc.)
- Filter, Operationsverstärker etc.
- Schnittstellen
- Sensorik, Peripherie, Aktoren
Das Trennen der Funktionalitäten hilft nicht nur der Übersichtlichkeit auf dem Stromlaufplan, sondern vereinfacht auch das anschliessende Layout. Sogar die Wiederverwendung von Funktionalitäten als Module wird von KiCAD unterstützt.
Flussrichtung von Spannung und Daten von links nach rechts
Wir hier in der westlichen Welt lesen von links nach rechts. So sollte es dann auch in unseren Stromlaufplänen sein. Greenberg schlägt daher die folgenden Regeln vor:
- Strom und Daten fliessen von links nach rechts
- negative Spannung und GND zeigen nach unten
- positive Spannungsversorgung zeigt nach oben
Dies gilt auch für schematische Symbole von Mikroprozessoren, erweitert um die Regel, Inputs links und Outputs rechts darzustellen. Das Symbol hat somit nicht mehr viel mit dem Footprint zu tun, soll aber das Verständnis beim Lesen des Stromlaufplans erleichtern. Also das physische Package nicht (immer) als Symbol benutzen:

Zusammengefasst sieht das in KiCAD so aus:

Es gibt aber auch Komponenten mit symbolischen Packages, für die wir natürlich die Symbole dem Package gleich lassen, wie z.B. bestimmte Dioden etc.
Labels und Intersheet References
Wenn möglich solltet ihr statt mit einem Label zu verbinden (wie z.B. VCC) lieber mit einem Wire verbinden. Denn einem Wire zu folgen mit den Augen ist einfacher, als das entsprechende Label zu suchen.
Trotzdem viele Labels einsetzen, z.B. auch für Wires. Gute Namen für Labels sind kurz und selbsterklärend. Für Labels, die auf andere Sheets verweisen, sogenannte intersheet references solltet ihr globale Labels nehmen und KiCAD so einstellen, dass diese angezeigt werden:
- im Schematic Editor auf "File → Schematic Setup..." klicken
- dort bei "Formatting" anklicken von "Show Intersheet references"
So werden dann neben solchen Labels die Sheets angezeigt, auf dem das Gegenstück zu finden ist.

Spannungsangaben mit Spektrum
Ganz wichtig, so hebt Greenberg hervor und wir hier bei alpha-board gmbh können das bestätigen, ist die Angabe der Spannungen in der Form (minimal, normal, maximal):
Vbatt = (3.0, 3.6, 4.1) V
VUSB = (4.5, 5.0, 5.5) V @ (0, 35, 500) mA
Wichtig ist auch, alle Annnahmen und Berechnungen in Textform auf dem Stromlaufplan darzustellen. Das könnten z.B. Berechnungen der Leistungsaufnahme in Peak und Normalbetrieb sein, oder Annahmen zum Einsatzort und Verhältnissen vor Ort etc.
Sonstige Tipps
Hier noch ein paar weitere Tipps:
- Setze bei nicht verwendeten Pins explizit NoERC (No-Connect) bzw. in KiCAD PWR_FLAG oder NC-Pins
- Verwende eindeutige und selbsterklärende Netznamen
- Lege globale Farben für bestimmte Netzklassen fest (z.B. für Power, Signale, Masse) und nutze sie konsequent (in Altium: View → Set Net Colors / in KiCAD: im Schematic Setup beim Unterpunkt Net Classes lassen sich Farben vergeben, s. KiCAD Documentation: Net Classes)
Checkliste für den Stromlaufplan
Andrew Greenberg zeigt noch eine kurze Checkliste im Video. Diese geht auf eine längere Checkliste für Stromlaufpläne zurück, die er teilt und die man kommentieren kann. Sie sieht schon recht vollständig aus und ist fürs Checken konkreter Stromlaufpläne für nachfolgende PCB-Designs / Layouts gedacht.
Hier die abgespeckte Version einer Checkliste mit Fokus auf einfache Lesbarkeit und erhöhtes Verständnis:
- Spannung durch Spannungs-Symbole mit aussagekräftigen Namen verteilt (nicht durch Wires)?
- Alle Versorgungsspannungen zeigen in die richtige Richtung? (+ oben, - / GND unten)
- Datenfluß eindeutig und ausreichend beschrieben (Inputs, Outputs, Anforderungen)?
- bedeutende Netze haben kurze, selbsterklärende Namen?
- Netze sind meist per Wires verbunden
- optional: Gruppen von mind. 4 Netzen sind Busse
- modulare Funktionsblöcke sind zusammen gruppiert und belabelt, auch mit ihren Anforderungen?
- Alle Komponenten haben einen Wert oder sind als NP markiert
- große Stromlaufpläne haben mehrere Sheets, die nicht zu voll sind?
- und immer gilt: der Electrical Rules Check ERC wird bestanden (exkludierte Fehler und Warnungen sind hinreichend kommentiert?)